Es könnte so einfach sein. Ist es.

Hab‘ noch Diesdas zu tun und werde alsbald in meinen Camper steigen, Motor an, Handbremse los. Weg! Wohin, das überlasse ich dem Wetter. Einen anderen Kompass werde ich nicht brauchen. Dachte ich. Denn ich habe längst einen Guide.

Während ich dies entscheide und das organisiere hat meine selektive Wahrnehmung längst die grobe Route abgesteckt. Auf Instagram! Ich sehe Pärchen in ihren Vans irgendwo an einem kroatischen Strand, „ready to surf.“ Da  taucht ein „toller Platz zum Wildcampen“ im portugiesischen Sonnenuntergang auf, hier ein Selfie „mit Gipfelkreuz“. Dann alles von Vorn. Mit neuer Besetzung. Es hat auch was mit Algorithmus zu tun. Versteh‘ ich schon. Vor allem aber mit meiner Abonnentenliste.

Wenn die das können, dann … 

Die machen das, denke ich dann. Die reisen! Als Paar, allein, mit Hund oder Kind. Aus all diesen Posts höre ich ein Flüstern. Es ist das Reiseblogger-rausundmachen-vanlife-homeiswhereyouparkit-dieweltgehörtmir-Mantra. Macht das Mut oder macht das kirre? Dieser Wir-sind-auf-Weltreise-Überschuss im Netz macht auf jeden Fall Arbeit und verbrennt Zeit: wem folgen, was lesen, wo skippen. Noch ein besseres Bild? Nur ein Post entfernt! Klick. Klick klick.

Auch ich poste meine Reisechroniken. Klar. Mit jedem Foto werde ich zu einer dieser Hunderten, Tausenden, Millionen, die die weite Welt da draußen auf dein Smartphone minimieren – während ich da draußen bin und du noch klickst. Denn egal ob du mit dem Smart, auf Rollschuhen, mit deiner Oma oder ohne pinke Unterwäsche um die Welt kurvst. Deine Reise beginnt immer mit dem ersten Schritt. (Lies den Satz ruhig zwei Mal.)

Es geht auch nicht um schöne Fotos.

Es geht um schöne Momente, sagt Frau Hespers auf ihrem Instagram. Wieder so ein Satz, der mir wegen selektiver Wahrnehmung im Hirn kleben bleibt. Mein schönster Moment heute? Das war, als ich diese Passage in Wolfgang Herrndorfs Buch „In Plüschgewittern“ gelesen habe. Dem Lachkrampf nahe.

„Früher hatte ich ganz lange Haare, da haben mir die Homosexuellen die Bude eingerannt“, sagt er. Ich sage, das würde er ja selbst nicht glauben, und zum Beweis holt er seine BahnCard aus dem Portemonnaie, und dann, als ob das nicht reicht, eine Karte, die ihn als irgendwas von einer Bundestagsfraktion ausweist.
„Das ist ja unglaublich“, sag ich, „du hattest ja früher richtig lange Haare“, und ich kann kaum noch an mich halten, was das für ein Gebaren ist, hier wildfremden Leuten solche schlimmen Karte zu zeigen. „Richtig, richtig richtig lange Haare.“ Das sind die Sorte Gespräche, die ich immer führen muss, bevor ich mich völlig ausklinke.

Obwohl das Buch ingesamt doch ziemlich niederschmetternd ist – tatsächlich ist es das gesamte 13. Kapitel, das mich so amüsiert hat –  was ab ich da gelacht. Laut gelacht hab ich.